Eine Trauung im Panikmodus

Ich möchte mal von meinem schlimmsten Erlebnis bei einer Trauung erzählen.

Es war Herbst und kalt. Die Hochzeit fand ich Standesamt Leipzig statt und ich bin mit dem Fahrrad gefahren. Gerade bei der Parkplatzsituation und wenn im Anschluss das Hochzeitsshooting auch gleich vor Ort stattfinden soll, mache ich das sehr gerne. Dann kommt die Kamera in eine Tasche und auf den Gepäcksträger. Ich hatte sie aus dem Fotostudio geholt, welches nicht geheizt und daher kalt war.

Die Hochzeitsgesellschaft und ich betraten das Standesamt und ich machte schonmal die ersten Fotos. Da fiel mir auf, dass die Bilder irgendwie immer unschärfer wurden. Es lag aber nicht an Schärfe, sondern es war eher ein leichter Schleier.

Ich wusste sofort, woran es lag: Am Temperaturunterschied. Die Kamera war kalt und das Standesamt warm. Folglich beschlug das Objektiv. Das kannte ich bereits aus der Vergangenheit. Dann mussten halt die Gläser geputzt werden. So weit, so bekannt. Es war ja auch noch Zeit…

Blöderweise merkte ich aber, dass es zwar besser wurde, aber die Gläser jedes Mal wieder beschlugen und selbst wenn ich die klar rieb, ein Restschleier blieb. Es waren also nicht nur die äußeren Gläser, sondern auch die inneren betroffen. Schöner Mist, die kann man nicht putzen.

Dann war es auch schon soweit und die Standesbeamtin begann mit dem behördlichen Prozedere. Das ist immer die Zeit für mich, den Trauraum zu studieren. Das brauchte ich zwar nicht, weil ich dank viele Hochzeitsshootings den Raum schon kannte – aber ich war scharf auf die Heizung. Blöderweise war es in dem Raum noch wärmer als im Vorraum, was zur Folge hatte, dass der Schleier stärker wurde. Ich versuchte, das Objektiv auf der Kamera zu wärmen, aber es ging einfach nicht so schnell, wie erhofft.

Einen Plan B gab es nicht. Ich hatte diesmal drauf verzichtet, eine Zweitkamera mitzunehmen, weil ich mit dem Fahrrad fahren wollte. Also überlegte ich mir, wie ich mit der Situation umgehen kann. Das Brautpaar über das Problem in Kenntnis zu setzen, hielt ich für eine ganz blöde Idee. Warten war auch nicht möglich, weil das Standesamt Leipzig sehr eng getaktet ist.
Also blieb mir nur die Variante, einfach zu fotografieren und später in der Bearbeitung zu retten, was geht. Photoshop hat zwar einen Antidunstfilter, aber auch dessen Möglichkeiten sind beschränkt.

Ich war innerlich in Panik, wusste aber auch gleichzeitig, dass ich jetzt keine andere Wahl habe, als mit dem Schleier zu leben. Gott sei Dank funktionierte der Auto Fokus wie gehabt. Das wäre das KO gewesen, wenn der nicht mehr scharf gestellt hätte.

Also fotografiere ich die komplette Trauung mit dem Schleier auf der Linse. Und erst als wir wieder im Freien waren und sich die Temperatur an die der Kamera anglicht, verschwand er. Die restlichen Fotos konnte ich ganz normal machen.

Wieder zu Hause setzte ich mich echt mit einem unruhigen Gefühl an die Fotos, um den Schaden auf dem großen Bildschirm zu begutachten. Das war wirklich übel…

Ich warf also Photoshop an und spielte an den Reglern. Es wurde tatsächlich besser. Nicht perfekt, aber besser. Normalerweise bekommen meine Pärchen ja alle Bilder auch unbearbeitet. Das habe ich diesmal unterlassen. In jedes Bild habe ich extra Zeit gesteckt, um alles aus den Bildern herauszuholen. Als ich dem Brautpaar dann die Bilder schickte, war ich echt nervös, dass es ihnen auffällt.
Aber hey, kurze Zeit später kam eine Nachricht, dass sie total begeistert von den Fotos sind. So begeistert, dass sie mir sogar noch ein großzügiges Trickgeld überwiesen.

Das Pärchen möchte ihre Hochzeitsbilder nicht im Internet haben, so dass ich sie nicht zeigen kann.

Damit das nicht wieder passiert, habe ich seitdem folgende Verbesserungen vorgenommen:

  1. Ich lagere meine Kameras nicht mehr im Fotostudio, sondern in der Wohnung. Damit haben sie immer Raumtemperatur.
  2. Ich nutze nicht mehr die kleine Tasche auf dem Gepäckträger, wenn ich mit dem Fahrrad zu einem Fotoshooting fahre, sondern meinen Fotorucksack. Dann habe ich ein komplettes Kamerabackup dabei. Es kann ja schließlich immer was mal nicht funktionieren.

Aus Fehlern lernt man halt und ich bin echt froh, dass sich noch alles zum Guten gewendet hat.